Der Sternenhimmel in Marokko
Ein Wegweiser in ungemütlichen Zeiten
Wer schon einmal in Marokko war, wurde wie wir bestimmt vor Abreise von einigen Bekannten oder Freunden davor gewarnt wie „gefährlich“ die Reise in das Land sein kann. Trotzdem entschieden eine Freundin und ich uns dennoch dazu, einen Roadtrip durch Marokko auf eigene Faust zu machen.
Also hielten wir uns artig an die Regeln des fremden Landes, lehnten alle Angebote von aufdringlichen Händlern immer schnell dankend ab, versuchten vor Einbruch der Dunkelheit in unseren Hostels zu sein und schlichen uns so unauffällig wie möglich durch die Souks von Marokko.
Nachdem wir einige Tage in Taghazout verbracht hatten, in der angesagten Surf-Hochburg Marokkos, mit einem gelungenen Mix aus Kultur, Sonne, Strand und oft perfekte Wellen, ging es weiter in den Norden, Richtung Imsuane. Denn dort soll es die längste Welle Afrikas geben und die wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen.
Unsere Fahrt verlief problemlos mit den unterschiedlichsten Begegnungen mit einsamen Eseln und Ziegen, die rastlos an der Straße mitten im nichts grasten und uns gelangweilt wahrnahmen.
In Imsuane, Marokko
Als wir am frühen Nachmittag in unserem abgelegen Hostel ankamen, bemerkten wir, dass überraschenderweise keine weiteren Gäste dort waren.
Das Hostelgelände bestand aus einem großen Grundstück, auf dem ein paar Häuser mit einigen Zimmern standen. Zusätzlich befand sich mitten auf der Wiese ein großes Tippi Zelt, in dem sich der Hostel Besitzer Jean und seine Freunde gerade zu einer Jam Session vergnügten. Nach einer kurzen Begrüßung und Einweisung fuhren wir wieder in die Stadt, um uns dort ganz klassisch mit einer Tajine und einem Marokkanischen Minztee den Sonnenuntergang anzuschauen.
Generell ist Imsuane ein kleines charmantes etwas verschlafendes Dorf, in dem man Fischer und Surfer mittags bei ihrem Tee in den Cafés antrifft.
Nachdem also die Sonne verschwunden war und die rosa Wolken sich in einen grauen Schleier verwandelten, fing der marokkanische Kellner Yousef an, Unmengen an Kerzen überall auf den Tischen zu platzieren. Wir wunderten uns, wieso er nicht einfach das Licht anmacht und witzelten daraufhin rum, was passieren würde, wenn ein Stromausfall die Stadt überrumpeln würde und wir ohne Internet und Handyempfang mitten drinsäßen. Unsere Fantasien und Geschichten arteten etwas aus, sodass bei jedem Lachanfall auch unterschwellig ein wenig Panik hochkam. Doch wir beruhigten uns immer wieder damit, dass es nur eine „was wäre, wenn“ Situation ist.
Einbruch der Nacht
Mittlerweile war es stockduster. Auf einmal kam Yousef mit einem beängstigenden Gesichtsausdruck zu uns und berichtete ganz aufgeregt, dass ein Stromausfall die gesamte Stadt und Nachbarstadt überrascht hat. So eine Situation gab es anscheinend das letzte Mal vor 20 Jahren.
Da saßen wir nun vor unseren drei Kerzen, mit unseren Horrorszenarien im Kopf, und probierten uns die Panik nicht sonderlich anmerken zu lassen. Nach einigen Überlegungen sowie Ablehnungen unterschiedlicher Angebote marokkanischer Männer, in so einer sonderbaren romantischen Situation den Abend doch zusammen verbringen zu müssen, entschieden wir uns dazu in unser Auto zu steigen und unser Hostel aufzusuchen.
Mittlerweile sah man nicht einmal mehr die Hand vor Augen in der Dunkelheit, da das einzige vorhandene Licht von den Sternen am Himmel kam.
Nach einer kurzen Fahrt standen wir also vor unserem abgelegenen, verlassenen Hostelgrundstück. Ein Blick auf unsere Handys, die wir nun als Taschenlampe umfunktionierten, verriet uns, dass der Akku nur noch knapp 1 Stunde halten würde.
Kein Internet, kein Empfang, kein Strom, kein Licht, und überall schlichen dunkle, fremde Gestalten herum. Die Horrorszenarien in unseren Köpfen wurden immer größer, doch wir probierten uns mit unserer Panik nicht gegenseitig weiter anzustecken und lächelten uns gezwungen ermutigend zu.
Als wir nun das verlassene Hostelgrundstück betraten, war wie zu erwarten kein Mensch zu sehen. In dem Moment wünschten wir uns einfach, doch das große Hostel mit den vielen Menschen mitten in der Stadt gebucht zu haben.
Ein Lichtblick
Während wir uns unserem Haus näherten, entdeckten wir mehrere Kerzen im Gebäude stehen, die den Weg zu den Zimmern beleuchteten. Das bedeutete, dass jemand kurz vor uns hier gewesen sein muss, doch anscheinend machte derjenige keinen Anstand sich erkennen zu geben. Ich war voller Adrenalin und Panik und kurz davor zum Auto zu rennen und mich hineinzusetzen, um mich wenigstens etwas sicherer zu fühlen. Doch auf einmal kam eine dunkle Gestalt mit einer Kerze auf uns zu und wir erkannten im schimmernden Licht das Gesicht des Hostels Besitzer Jean. Erleichternd und panisch fragten wir ihn wie lange dieser Stromausfall noch dauern würde. Doch er reagierte äußerst gelassen und erzählte, dass einige Leute schon auf dem Weg seien, um den Schaden zu beheben, jedoch könnte das bis morgen andauern. Statt uns Sorgen zu machen, sollten wir doch lieber den wunderschönen klaren Sternhimmel beobachten, denn so deutlich wird man die Sterne nie wiedersehen können.
Nun standen wir da, alle drei mit dem Kopf im Nacken und Blick in den Himmel gerichtet als auf einmal das Grundstück von einem kleinen Lichtstrahl erhellt wurde und nach und nach immer mehr Lichter die Stadt anstrahlten. Die Erleichterung war uns deutlich ins Gesicht geschrieben, wir verabschiedeten uns von Joan und gingen in unser Haus um endlich beruhigt schlafen gehen zu können.
Trotz der unheimlichen und düsteren Stimmung waren die ganze Zeit Unmengen von hellen Sternen am Himmel, die uns wenigstens etwas Licht und Sicherheit gaben. Diesen besonderen und unvergesslichen Moment nahm ich daraufhin zum Anlass, mir ein Poster von Sternmoment zu bestellen, um immer an dieses abenteuerliche Erlebnis erinnert zu werden.